Silvia Lehmann Hundetraining
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empathisch - kompetent - individuell

 

Sitz, Platz, Bleib – ist das notwendig?

Sitz, Platz, Bleib – ist das notwendig?

Für die meisten Hundehalter ist das Erste, was sie von ihrem Hund einfordern, ein Sitz. Selbst Gassigänger oder Interessenten im Tierheim befehlen einem völlig fremden Tierheimhund er solle Sitz machen. So, als wäre es jedem Hund angeboren, diese Aufforderung zu verstehen und umzusetzen. Funktioniert das (zufällig), blicken diese Menschen so stolz drein, als hätten sie und der Hund grade etliche Menschen aus einem brennenden Haus gerettet. Dass der Hund sich auf Kommando setzt, wird mit einer funktionierenden Kommunikation und einer intakten Beziehung zwischen Mensch und Hund gleich gesetzt.
Nach dem Sitz kommt das Platz und schließlich das Bleib – beim Schwimmen wären das: Seepferdchen, Frei- und Fahrtenschwimmer. So wie ein Fahrtenschwimmer glaubt, für jedes Gewässer gerüstet zu sein, glaubt der Halter eines SPB-Hundes alles im Griff zu haben. Aber, ist das so? Natürlich nicht!

Sitz, Platz und Bleib sind Tricks.
Stattdessen könnte der Hundehalter auch das, in meiner Gegend früher sehr beliebte, „Frankforder Mädsche“ einüben. Dabei wirft sich der Hund auf das Kommando „Wie macht e frankforder Mädsche“ auf den Rücken und streckt alle vier Beine nach oben.

Wer bis hierhin gelesen hat, denkt wahrscheinlich, ich finde diese Tricks im besten Fall sinnlos – das ist nicht so.

Vielen Menschen hilft das, in den Kontakt und in die Kommunikation mit ihrem Hund zu gehen. Und da Hunde überaus anpassungsfähige Wesen sind, nehmen sie das auch hin. Schön wäre es allerdings, wenn das nicht die einzige Form der Kommunikation bleibt.

Wichtig für die Mensch/Hund Beziehung ist eine stabile Bindung. Das heißt, dass sich der Hund auf seinen Halter verlassen kann, dass der Halter eine kompetente, souveräne und faire Führung bietet.

Um die Frage aus der Überschrift zu beantworten, ob Sitz, Platz, Bleib notwendig sind - wenn der Mensch das braucht ist es ok und hoffentlich ein Einstieg in eine individuelle Kommunikation. Der Hund braucht das nicht.

Tierschutz – wer rettet wen.

Ich finde es richtig gut, wenn Menschen sich für die Übernahme eines Tieres aus dem Tierschutz entscheiden. Bedenken habe ich manchmal hinsichtlich der Intention.

Ich habe, bei meiner freiwilligen Mitarbeit in einem rumänischen Shelter mit ca. 1.500 Hunden, die Lebensumstände der Tiere erlebt. Die waren für mich so schlimm, dass ich traumatisiert nach Deutschland zurückkam. Für die Hunde allerdings, war es deren Welt. Sie finden sich darin zurecht. Trotzdem ist es natürlich wichtig, so viele wie möglich raus zu holen. Wichtig ist aber auch, dass abseits von Anzeigen und Facebook-Posts, genau darüber aufgeklärt werden muss.

Wenn ich, zum Beispiel im Zuge einer Vorkontrolle für ein Tier aus dem Ausland, darauf hinweise, dass die Tiere sich mitnichten gerettet fühlen, wenn sie von wer weiß woher, wer weiß wie lange, an einem völlig fremden Ort auf völlig fremde Menschen treffen, die womöglich noch auf sie zustürmen und sie erst mal mit Inbrunst an sich drücken, dann ist es in den meisten Fällen so, als hätte ich einer Dreijährigen gesagt, Osterhase und Weihnachtsmann ist nicht. Ich fühle mich auch genau so dabei – eine gemeine Traumzerstörerin. Klar, manche lächeln mich auch eher mitleidig an, weil sie es besser wissen. Sie hatten schließlich schon Tierschutztiere und alles lief super. Das sind dann oftmals die, die nach 3 Tagen anrufen, weil sie mit irgendeinem Verhalten des Hundes nicht klar kommen – NACH 3 TAGEN wohlgemerkt. Diese Menschen sind so enttäuscht darüber, dass sich das gerettete Tier als so undankbar erweist, ja sogar Schwierigkeiten macht – da fühlt sich das vormals große Retterherz schnell ausgenutzt.

Das trifft für Tierschutz-Tiere aus Deutschland natürlich genau so zu. Da ist es nur nicht ganz so extrem, weil sich bei den Besuchen im Tierheim meistens relativ bald die Spreu vom Weizen trennt. Da liegen Phantasie und Realität einfach dichter beieinander. Und glücklicherweise sind diese Fälle, auch im Auslandstierschutz, eher die Ausnahme.

Trotzdem lohnt es sich, meiner Meinung nach, da genauer hinzusehen, bei den Interessenten die Motivation zu hinterfragen und realitätsnah zu informieren.